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  • AutorenbildDr. Florian Hugk

Ein Ghostwriter muss vor allem gut und unsichtbar beobachten können.



Neulich in einer Herrenboutique in Wuppertal.

Sie betrat die Boutique so, als ob ihr letzter Gedanke kein heiterer gewesen war. Ihr knallroter Mund schrumpfte derweil und endete rechts und links in einem dunklen Komma, als sei er so nicht zu ertragen. Dass sie damit einen viel zu ernsten Eindruck machte, schien ihr recht zu sein. Es folgten Sätze aus Plaudergewebe und Smalltalkblasen der alten Schule:

„Der Winter ist dieses Jahr nur grau in grau, ja?

„Haben Sie unsere neuen Pullunder schon gesehen?“

Als sie ihren kleinen Hund in der Handtasche fütterte, machte sie sich der Anmut verdächtig. Danach versuchte sie ständig mit der linken Hand ihr Haargesteck, das nur so vor Volumen strotzte, zu frisieren, um der Symmetrie willen eine Eigenart zu vertuschen.

Im folgenden Gespräch mit der Verkäuferin küsste man sich verbal, um danach ähnlich hastig in den sachlichen Ton zu verfallen. Die Verkäuferin lächelte ununterbrochen. Aber so, wie Strenge lächeln, ihren Gesprächspartnern zuliebe. Die gespielte Zuneigung der Verkäuferin war jedoch ohne Aufdringlichkeit. Die Art, ihre Fragen mit einer Gegenfrage zu beantworten, schien gelernt zu sein. Sie tat das, um ihrer Kundin zu gefallen. Ihre Stimme verkündete nicht, aber sie überbrachte eine Botschaft, die ihre Kundin zum Kauf animieren sollte:

„Das wird ihrem werten Herrn Gemahl bestimmt gefallen!“

Und die Kundin begann abzuwägen. Dabei wurden Vorentscheidungen getroffen. Vieles fiel sofort aus dem Raster. Es ging nur noch um Farben, Formen und Finesse. Ein Pullunder und ein Schal kamen sofort in den Recall. Von der Seite. Von der anderen. Als die Kundin ihre Verstiegenheiten zur politischen Lage verkündet hatte, wusste die Verkäuferin schon, dass Sie sich zum Kauf entschlossen hatte.

Und die Moral von der Geschicht, die gibt es einfach nicht.

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